Digitalisierung und Organisation
Team des Arbeitskreises
- Dr. Tanja Carstensen, Universität Hamburg
- Dr. Tilo Grenz, Universität Wien
- Prof. Dr. Stefan Kirchner, TU Berlin
- Prof. Dr. Uli Meyer, JKU Linz
Ansatz des Arbeiskreises
Digitalisierung und Organisation erscheinen derzeit in einem grundsätzlichen Spannungsverhältnis. Einerseits lässt sich annehmen, dass mit der flächendeckenden Verbreitung digitaler Technik die Bedeutung von Organisationen stark abnimmt. So scheint es, als ob sich mit der Digitalisierung die etablierten Grenzen der Organisationen auflösen. Beispiele sind hier digitale Plattformen, digitale Marktplätze, Vernetzung von Produktionsanlagen, Verschmelzung von Produkten und Dienstleistungen, oder Blockchains. Aber auch andere, durch Digitalisierung vorangetriebene Phänomene, wie Crowdsourcing, Open Innovation, sowie Kundenarbeit, stellen die traditionelle Rolle von Organisationen in Frage. Diese aktuellen Trends lassen sich dabei als eine konsequente Weiterführung vorhergehender Entwicklungen (insbesondere Outsourcing) verstehen, die die Wertschöpfungsketten und Kooperationsmuster zwischen Organisationen erheblich gewandelt haben. Als zugespitzte These formuliert:
Die Organisation löst sich in der Digitalisierung auf und an die Stelle der Organisation treten neue soziale Ordnungen und Koordinationsmechanismen.
Andererseits, lässt sich dagegen argumentieren, dass Organisationen mit der Digitalisierung weiterhin von großer Bedeutung sind – möglicherweise sogar nimmt die Bedeutung zu. So gibt es kaum ein aktuelles Beispiel der digitalen Transformation, das nicht durch Organisationen ausgelöst, getragen oder begleitet wird. Organisationen treiben als Unternehmen die Digitalisierung voran. Viele Kerninnovationen finden trotz aller Mutmaßung innerhalb von Organisationen statt. Selbst die erforderliche Finanzierung von neuen Ideen erscheint letztendlich immer an Organisationen gebunden. Neben Unternehmen spielen aber auch andere Organisationstypen eine wachsende Rolle. Verbände und andere Non-Profit-Organisationen sind maßgeblich an der Gestaltung digitaler Infrastrukturen beteiligt. Außerdem treten einige Unternehmen als Markt-organisatoren auf, indem sie digitale Plattformen bereitstellen, auf denen Waren und Dienstleistungen gehandelt werden. Schließlich ist digitale Technik Gegenstand staatlicher Einflussnahme, bei der mit Fördereinrichtungen bis hin zu Regulierungsinstanzen, eine Vielzahl unterschiedlicher Organisationen beteiligt sind. Die zugespitzte These lautet hier also:
Digitalisierung wird maßgeblich durch Organisationen vorangetrieben und stärkt somit die Rolle von Organisationen.
Der Arbeitskreis beschäftigt sich mit dem Spannungsverhältnis zwischen Digitalisierung und Organisation. Ziel ist die Weiterentwicklung der Organisationsforschung und der Organisationstheorie im Kontext der Digitalisierung. Der Arbeitskreis geht davon aus, dass die Organisationssoziologie einen zentralen Beitrag zur Digitalisierungsforschung leisten kann. Der Arbeitskreis lädt auch benachbarte Bindestrich-Soziologien und andere Disziplinen ein, um sich über das Verhältnis von Digitalisierung und Organisation in vielen unterschiedlichen Bereichen auszutauschen. Dabei wird die Rolle der Organisation nicht unhinterfragt vorausgesetzt. Vielmehr soll der Austausch im Arbeitskreis die Potentiale und die Grenzen der Organisationssoziologie im Themenfeld der Digitalisierung herausarbeiten. Diese Potentiale und Grenzen werden in offenen und kritischen Auseinandersetzungen mit vielfältigen empirischen Untersuchungsergebnissen und wiederstreitenden Theoriepositionen identifiziert, systematisiert und beschrieben.